Eine Wankdorf Geschichte - Teil 1
Die Geschichte eines anderen Matches am Rande eines
Fussballmatches.
Eine Geschichte der argentinischen Diktatur, die
sich im alten Wankdorf-Stadion im Jahre 1979 spielte.
Letzten 24 März vierliess Fussball-Idol Johann
Cruyff diese Welt.
Johann Cruyff.
Einer der besten Figuren in der Geschichte dieser,
einer meinen Leidenschaften.
Der Fussball.
Johann Cruyff, der für mich nicht nur als
Fussballlegende gilt, sondern als jener holländische Nationalspieler, der sich
als Protest gegen die argentinische Diktatur weigerte, an die WM-1978 in
Argentinien teilzunehmen.
Die Version kursierte im politisierten Umfeld
meiner Kindheit.
Das habe ich immer gerne geglaubt.
(Man will immer solche Idole für den Klassenkampf
gewinnen)
Der 24 März ist auch der Jahrestag des Militärputsches im Jahre 1976.
Das war der Anfang einer blutigen Diktatur.
Die ganze Gesellschaft litt direkt oder indirekt
darunter.
Ich dachte ich mir, wir könnten Johann und seine
Proteste in unserer nächsten Radiosendung anlässlich dieses Jahrestages
erwähnen.
Es stellte sich also die Aufgabe, diese Version vom
Engagement Cruyffs zu bestätigen.
Internet lieferte mir aber keine Beweise.
Im Gegenteil.
Die argentinische Zeitung “La Nación” brachte einen
Artikel, der diesen Mythos widerlegt.
Er habe angeblich an der WM-1978 in Argentinien
nicht teilgenommen, weil es ihm seine Frau verboten habe, nachdem sie von einer
gewissen Nacht mit nackten Ladys während der vorherigen WM-1974 in Deutschland
erfuhr.
Nichts Überraschendes aus der „traditionellen“
Zeitung mit „seriöser“ Ausstrahlung, welche den Puscht vom General Pinochet
1973 in Chile als „Revolution“ bezeichnet hatte (Zeitungsartikel liegen
bei mit vor)
Dafür habe ich etwas Spannenderes gefunden, das
auch Holland, die argentinische Diktatur und unsere Stadt Bern tangiert.
Irgendein (anderer) Fussball-Verrückter hatte ein
ganzes Spiel Argentinien-Holland aus dem Jahre 1979 auf YouTube hochgeladen.
Der Match war mir bekannt. Es handelte sich um eine
Wiederholung des Finales der WM in Argentinien ein Jahr zuvor und das 75
Jubiläumsspiel der FIFA.
Ausgetragen wurde dieses Argentinien-Holland im
alten Wankdorf-Stadion.
An sich etwas total unbedeutendes. Ausser, dass auf
dem Platz des Berner historischen YB-Stadion ein junger noch nicht sehr
bekannter Spieler unter den Elf des argentinischer Kader stand, der sich später
als bester Fussballer aller Zeiten erweisen würde.
Sein Name: Diego Armando Maradona.
Aber die Geschichte, die ich erzählen wollte ist
eine andere.
Was der YouTube-User wahrscheinlich nicht wusste, er
hat eine alte, vergessene und bis jetzt nicht bestätigte Legende aufgedeckt.
Die Geschichte erzählt von gewissen politischen
Flüchtlingen aus Argentinien, Chile und Uruguay sowie von manchen Schweizer-AktivistInnen,
welche die Live-Fernseher-Übertragung des Spiels nützen würden, um Argentinien
und die Welt auf die Gräueltaten der Diktatur aufmerksam zu machen.
Vor allem in Argentinien, wo Zensur mit Blei und
Elektroshock-Folterung umgesetzt wurde. Der Legende nach, soll die Aktion auf
Verlangen der argentinischen Behörden von den Sicherheitskräften vom Stadion
brutal unterdrückt und in einer Massenschlacht mit den „politisierten“ Fussballfans
beendet worden sein.
Ich hatte diese Geschichte vor Jahren an
irgendeinem Stammtisch unter chilenischen Flüchtlingen gehört.
Damals war so was wie YouTube nur eine
Zukunftsvision.
Recherchen durch Zeitungen aus jenen Tagen in der
Nationalbibliothek lieferten nur Berichten von einem langweiligen
Fussballmatchs.
Etwa 12 Jahre später, als ich nach dem politischen
Engagement von Johann Cruyff googeln wollte, taucht vor meinen Augen dieser
komplette Match in Schwarz-Weiss auf mit französischen Kommentaren.
Damit auch die Möglichkeit, dieses Mythos von Bern
zu bestätigen.
Ich bereite also meine Mate-Thermoskanne vor und
nehme mir die Zeit, den angeblich langweiligen Match anzuschauen (es soll keine
Tore mit Penalty-Definitionen geben)
Es dauerte aber nicht allzu lange.
Mit dem ersten Angriff Argentiniens ist alles eindeutig
zu sehen. Gross genug da! Für die ganze Welt! Jeder der Zuschauer hält ein
Buchstabe.
Zusammen bilden sie den Satz „VIDELA ASESINO“
(Videla Mörder) – Unübersehbar!
Und immer wieder im Verlauf des Spiels.
Mit jedem Angriff Argentiniens.
„VIDELA ASESINO“
Mit der Zeit hat man den Eindruck, nicht jedes der
Buchstaben stehe noch da.
Es sind tatsächlich jedes Mal ein Paar weniger.
Plötzlich taucht der ganze Satz wieder da.
Und dann verschwindet wieder etwa die Hälfte.
Ist das vielleicht wegen der angeblichen Schlacht
zwischen den Sicherheitskräften und den Fussballfans?
Der Mythos wurde mindestens zur Hälfte bestätigt.
Eine Handvoll Leute, welche in ihrer Herkunftsländer Folterung, Gefangenschaft erlebt
hatten, überwinden Angst und Tod und machen sich erneu auf den Kampf für jene
Welt, die sie als berechtigt halten.
Wer könnte und nun von jenem Abend im Wankdorf
erzählen?
Der zweite Teil folgt bald..