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Sonntag, 10. Juni 2012

tango del viudo - der Tango des Witwers


O Boshafte, nun wirst du den Brief gefunden haben, nun
            wirst du schon geheult haben vor Wut
und wirst die Erinnerung an meine Mutter besudelt haben,
sie eine verkommene Hündin und Mutter von Hunden
            nennend,
nun wirst du, verlassen, mutterseelenalleine, den Tee der
            Dämmerung bereits getrunken haben,
den Blick auf meine alten, für immer leeren Schuhe,
und wirst dich schon nicht mehr meiner Krankheiten
            erinnern können, meiner nächtlichen Träume, meiner
            Mahlzeiten,
ohne mich mit lauter Stimme zu beschimpfen, als wäre ich
            noch da
und beklagte mich über die Tropen, die Corringhi-Kulis,
die giftigen Fieber, die mich so zugerichtet,
und über die schrecklichen Engländer, die ich noch immer
            hasse.

Boshafte, in Wahrheit aber, wie groß ist die Nacht, wie
            einsam die Erde!
Ich bin wieder in die verödeten Schlafzimmer geraten,
habe in Restaurants kaltes Essen zu mir genommen,
            und wieder werfe ich Hemd und Hosen auf die Erde,
es gibt keine Kleiderhaken in meinem Zimmer, kein Bildnis
            von irgendwem an den Wänden.
Wieviel von dem Schatten, der in meiner Seele ist, gäbe ich
            her, um dich wieder zu haben,
und wie bedrohlich scheinen mir die Namen der Monate,
und das Wort Winter, welch unheilkündenden
            Trommelklang hat es.

Später wirst du neben der Kokospalme das Messer
            vergraben finden,
das ich dort verbarg, aus Angst, du könntest mich umbringen,
und nun möchte ich auf einmal seinen Küchenstahl riechen,
der an das Gewicht deiner Hand gewohnt war und den
            Schimmer deines Fußes:
in der Nässe der Erde, zwischen den dumpfen Wurzeln
wird das arme Ding von allen menschlichen Sprachen einzig
            deinen Namen wissen,
und das schwere Erdreich begreift deinen Namen nicht,
der aus göttlichen Substanzen erschaffen, unergründlichen.

So wie es mich traurig macht, am hellen Tag deiner Schenkel
            zu denken,
die sich wie gestautes hartes Sonnenwasser zum Schlafe
            strecken,
und der Schwalbe, die in deinen Augen schwebend und
            schlummernd lebt,
und des tollwütigen Hundes, den du in deinem Herzen birgst,
so auch sehe ich die Tode all, die von dieser Stunde an
            zwischen uns liegen,
und ich atme in der Luft die Asche und das Zerstörte,
den ungeheuren einsamen Raum, der mich umgibt für immer.

Ich gäbe gern das Wehen dieses gewaltigen Meeres her für
            deinen hastigen Atem,
in langen Nächten vernommen, frei von Vergessen,
der sich in der Luft verhaftete wie die Peitsche des Pferdes Fell.
Und um dich harnen zu hören in der Dunkelheit hinten im
            Haus,
als würde ein dünner zitternder hartschlägiger silberner
            Honig verschüttet,
wieviel Mal würde ich diesen Schattenchor hergeben, der zu mir gehört.
und das Klirren nutzloser Degen, das man in meiner Seele
            vernimmt,
und die Taube aus Blut, die einsam in meiner Stirne lebt,
entschwundene Dinge beschwörend, entschwundene Wesen,
Substanzen, seltsam untrennbar und verloren.

(Pablo Neruda, übersetzt von Erich Arendt)